Freitag, 11. November 2011

Jede Stadt ist im Grunde ein Dorf: Posse um einen Weihnachtsbaum

Dortmund, genauer gesagt sein Weihnachtsmarkt, hat einen riesigen Weihnachtsbaum - womöglich sogar den größten der Welt. Natürlich ist das nicht ein einzelner Baum, sondern er wird aus vielen Tannen zusammengesetzt. So sieht er übrigens aus, wenn er fertig ist:



Und so, wenn er abgebaut wird: 



Für dieses Jahr hatten sich die Veranstalter und Erbauer etwas ausgedacht: Statt des "traditionellen" Engels (so lange gibts den Riesenbaum ja nun auch noch nicht) sollte ein riesiger Fußball die Spitze des Baums zieren. Pfiffige Idee in der überaus fußballverrückten Stadt, könnte man meinen. Aber denkste! Es mag einige Leute gegeben haben, denen die Idee gut gefällt, einigen wird sie ähnlich egal sein wir mir, aber die Bedenkenträger liefen sofort Sturm. Proteste aus der Lokalpolitik, Proteste aus den Kirchen, Proteste von Parteien, Organisationen, ach wer da auf einmal alles protestierte. Sämtliche Bürgermeister der Stadt schienen sich zu Wort zu melden, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt, als das, was auf diesem Weihnachtsbaum ganz oben hockt. Die Ruhr Nachrichten zitieren in einem Artikel Bürgermeister Manfred Sauer mit den Worten: „Scheiße. Ich halte das für irre.“ Auch andere ranghohe Politiker äußerten sich kritisch bis entsetzt, - z.B. Bürgermeisterin Birgit Jörder: "Da wird etwas vermengt, was nicht zusammen gehört." (Quelle: Ruhr Nachrichten) bis hin zu Oberbürgermeister Ullrich Sierau, der sogar eigens zu einer Pressekonferenz lud. Man kommt sich fast vor wie in einem Provinzdorf im Nirgendwo. Wo waren die Empörungsausrufe der Lokalen, als das braune Pack durch Dortmund marschieren durfte und wochenlang unbehelligt in der ganzen Stadt dafür werben durfte? (OB Sierau sei hiervon ausdrücklich ausgenommen!) Warum findet es niemand "irre" oder sagt "Da wird etwas vermengt, was nicht zusammen gehört", wenn das braune Pack sich in Oberdorstfeld breit macht? Da höre ich leider viel zu wenig von den Bürgermeistern und Oberen der Stadt.

Wie das Eine mit dem Anderen zusammen hängt? Vielleicht nicht unmittelbar, aber es betrifft eben doch genau die gleiche Stadt - alles eine Frage der Gewichtung. Die erscheint mir hier nicht ganz ausgewogen. Und auch das beliebte Argument, der Glaube der Menschen könnte durch diese Umgestaltung beleidigt werden, zieht hier historisch gesehen nur bedingt. Denn der Weihnachtsbaum, auch wenn er oft auch Christbaum genannt wird, ist keineswegs ein urchristliches oder kirchliches Symbol, sondern die Kirche billigte das Symbol erst im 19. Jahrhundert und "übernahm" es schließlich. Und außerdem: Fußball ist doch wohl auch eine Religion, oder? Vor allem hier in Dortmund. Und auch die Romantiker sollten vielleicht noch einmal einen Blick auf das Abbau-Foto werfen...

Ich hätte jedenfalls beim Gang auf den Weihnachtsmarkt wenigstens einmal einen halbwegs gespannten Blick nach oben geworfen. Da ich jetzt weiß, dass der selbe Engel oben drauf sitzt, kann ich mich also ganz auf meinen Glühwein, die Mandeln und die Freunde konzentrieren.

Für den Ball hat OB Sierau übrigens optimistische Pläne: "Den Fußball heben wir auf. Er könnte bei der nächsten Meisterfeier zum Einsatz kommen und danach vielleicht seinen Platz im DFB Fußballmuseum finden." (Quelle: Ruhr Nachrichten). Ob es soweit kommt, steht ja ohnehin noch in den Sternen. Denn seinen Plan für das nächste Jahr könnte der Baum-Erbauer ja theoretisch jetzt schon wahrmachen: "Und was macht Thomas Weise mit dem Fußball, wenn nächstes Jahr wieder der Posaunenengel auf der Tanne Platz nimmt? 'Dann verkaufe ich den Ball nach München, die sind wahrscheinlich progressiver.'" (Quelle. Ruhr Nachrichten) Würde ich aber auch nicht drauf wetten...

2 Kommentare:

  1. Na, nach 15 Jahren darf man schon von einer Tradition sprechen ;)Mir war es ja auch eher egal, aber so richtig toll hätte ich diese "Spitze" auch nicht gefunden. Mir würd ja mal ein Stern gefallen. Immer der Engel muss ja auch nicht sein.

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  2. Die Münchner sind dieses Jahr allerdings auch nicht mit ihrem Baum zufrieden. Selbst gesehen habe ich ihn allerdings noch nicht, man erzählt es sich nur.

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