Inspiriert von Anna Ternheim, die gerade lieblich aus meinen Boxen singt, schwinge ich mich einen Monat nach dem Festival noch zu einem späten, aber nicht zu späten Rückblick auf das diesjährige Haldern Pop auf und weiß schon gar nicht, wo ich vor lauter Begeisterung anfangen soll.
Vielleicht mit dem Offensichtlichsten: Das Wetter war, etwas Haldern-untypisch, ganz ausgezeichnet. Ähnlich wie vor zwei Jahren fuhren wir bei grauem Himmel los, und auf der A 3 lichtete sich die Wolkendecke und die Sonne kam zum Vorschein - Sonnenbrillenzeit! Die hielt das ganze Wochenende an, es war warm, ja geradezu heiß und wunderschön.
Mindestens genauso wunderbar ist es, sich in unsere mittlerweile wirklich große Haldern-Camping-Truppe einzufinden. Auch wenn es schwierig war, zu zweit die angeforderten "100 Quadratmeter Fläche" mehr als eine Stunde lang freizualten. Einige der Menschen sehe ich tatsächlich genau einmal im Jahr zu diesem Anlass, und jedes Jahr wird es lustiger, schöner und außerdem luxuriöser. Mit White Russian und Cuba Libre startet ja auch nicht jeder in ein Festival, oder? Und das Bier war auch trotz der Hitze fast das ganze Wochenende kühl.
Die Menschen machen ja sowieso einen beträchtlichen Teil der wunderbaren Atmosphäre in Haldern aus. Man trifft Leute, die man kennt und schätzt (auch solche, die man weniger schätzt, aber das lässt sich ja nie ganz vermeiden - das Gelände ist ja groß genug für alle) und Menschen, die man bis dahin noch nicht kannte, aber vom ersten Augenblick an schätzt. Man hat den Eindruck, fast alle freuen sich einfach, dass sie an diesem Wochenende an diesem Ort sind und dieses Festival zusammen genießen können. Und ich meine, die Sonne hat dazu beigetragen, dass die Stimmung größtenteils noch ein bisschen besser war.
Im Vorfeld des diesjährigen Festivals hatten sich ja zahlreiche Menschen über das Lineup mokiert. Zugegen: die Dichte an "großen" Acts war sicherlich nicht so hoch wie in den letzten Jahren, und auch die Ausgewogenheit zwischen ruhigen und rockigen Bands und Künstlern war nicht unbedingt da. Aber Haldern war schon immer ein Festival, bei dem es sich lohnt, sich auf die Booker zu verlassen. Und ein etwas entspannterer Zeitplan heißt ja schließlich auch, dass man weniger Probleme hat, alles zu sehen und zu hören, was man möchte. Ich fand es jedenfalls sehr angenehm, dass ich mich eigentlich nie ärgern musste, etwas zu verpassen.
Und das Programm ließ doch wirklich nicht zu wünschen übrig. Nachdem wir den Donnerstagabend erst spät zunächst vor dem Zelt verfolgt und dann schließlich bei den verrückten Irrepressibles auch noch kurz drinnen waren, war der eigentliche Opener für mich Asaf Avidan & The Mojos. Und meine Damen und Herren, der hat mich schon gleich völlig weggeblasen. Aus der Entfernung wie eine Frau klingend, hat dieser schmächtige Israeli mit der hohen Stimme eine fantastische Rock'n'Roll-Blues-Show hingelegt, die mich direkt zum CD-Kauf verleitet hat. Port O'Brien dagegen vermochten mich danach leider nicht vom Sitz zu reißen, das war mir irgendwie zu - ich weiß gar nicht wie, aber es hat mir nicht übermäßig gefallen. Weiter gings dann am Freitag für mich mit Noah & The Whale, in die ich große Erwartungen gesetzt hatte. Diese wurden aber leider mehrheitlich enttäuscht. Offensichtlich hat diese Band die Melancholie entdeckt, die sie in aller Ausführlichkeit auch auf der Bühne ausbreitete. Dabei war alles an diesem Tag hergerichtet für ihren wunderbaren Hit "5 Years Time", den sie aber lieber nicht spielte. Alles in allem leider eher enttäuschend. Das war aber alles vergessen, als Anna Ternheim die Bühne betrat. Wenn ich ein musikalisches Highlight des Festivals rauspicken müsste, es wäre wahrscheinlich ihr Auftritt. Diese bezaubernde Frau zog mich - und einige tausend andere - von Anfang an mit ihrer Schönheit, ihrer Präsenz, ihrer tollen Band und den großartigen Liveversionen ihrer Songs in den Bann. Der Auftritt war eine einzige Schönheit, Gänsehaut pur, so dass man manchmal einfach mit offenem Mund staunend dastehen musste. Danach ging es erst einmal zurück zum Campingplatz, grillen und chillen. Für Athlete machte ich mich dann schließlich noch einmal auf den dunklen Weg zum Gelände. Der Auftritt war nicht schlecht, wobei mich diese Band nie völlig begeistern wird. Aber ihre Hits sind schon sehr schön, gerade live. You got the style and we got the style...
Der Samstag begann dann musikalisch recht spät, dafür aber umso schöner: The Maccabees spielten, leider viel zu früh, auf der Hauptbühne, nachdem sie vor zwei Jahren das Spiegelzelt zum Erbeben gebracht hatten. Mit dem zweiten Album im Gepäck war es ein tolles Set, und die Band schien sich mindestens ebenso darüber zu freuen wie die zahlreichen Menschen vor der Bühne. Ein sehr guter Einstieg in den Festivaltag! Danach war ein wenig relaxen im Schatten und unter der behelfsmäßigen "Dusche" auf dem Gelände angesagt. Bon Iver habe ich nur teilweise und aus der Ferne verfolgt. Das hat mich aber live auch nicht wirklich angesprochen, obwohl mir das Album ganz gut gefällt. Ist aber auch keine Musik für 30 Grad im Schatten am Nachmittag. Richtig los ging es dann wieder mit den wunderbaren Thermals. Die schafften es, in knapp einer Stunde gefühlte 35 Songs zu spielen und brachten den Reitplatz ordentlich ins Schwitzen, Tanzen und Singen. Eine tolle Rockshow, die zeigt, dass es eigentlich nicht mehr als drei Leute (und drei Akkorde?) braucht. Danach spielte Andrew Bird, den ich mir wieder etwas aus der Entfernung anhörte. Das Set hat mir aber im Großen und Ganzen gut gefallen, der Mann hat sehr schöne Songs. Mit The Soundtrack of our Lives kehrte die ganz große Rock'n'Roll-Geste im Anschluss noch einmal auf die Bühne zurück. Ebbot Lundberg und seine Mannen, die in Deutschland ja auch beim Haldern-Label veröffentlichen, wären eigentlich der passende Abschluss dieses herrlichen Tages gewesen. Dann hätte Lundberg in seiner Robe sicher auch noch die Menschenmenge geteilt. Aber es kamen ja zum Abschluss auf der Bühne noch Fettes Brot zum Zuge. Hier war der Aufschrei im Vorfeld noch größer als bei Jan Delay vor zwei Jahren, und rückblickend muss ich sagen: zurecht. Überzeugte Jan Delay noch mit Witz, Stil und einer tollen Band, wirkten die Brote eher wie ein schwacher Abklatsch dessen. Auch wenn einige ihrer Hits natürlich immer noch sehr charmant sind. Dafür sind die neueren Tracks aber umso schwächer, so dass wir uns lieber noch einmal auf ein letztes Bier in den Biergarten vor dem Spiegelzelt verdrückten und so noch ein Stück der völlig abgefahrenen "Show" von Health auf der Leinwand erlebten. Wers braucht...
Es bleibt festzuhalten: Haldern war auch dieses Jahr wieder aus all den genannten Gründen eine Reise wert, was wohl auch immer so bleiben wird. Ich freue mich schon jetzt aufs nächste Jahr. Nein, eigentlich will ich, dass das ganze Jahr über Haldern Pop ist. Zumindest irgendwie.
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