Donnerstag, 17. Dezember 2009

Wenn Würde ein Fremdwort zu sein scheint

Soeben stolpere ich über diesen Artikel auf der Website des presseähnlichen Produkts mit den vier Buchstaben, das sich zurecht nicht mehr Zeitung nennen darf.

http://www.bild.de/BILD/sport/fussball/bundesliga/vereine/stuttgart/2009/12/17/wegen-jens-lehmann/verliert-zocker-6360-euro-bei-einer-wette.html

Falls der Link nicht (mehr) funktionieren sollte, hier die Kerninformationen nochmal schnell zusammengefasst:

Ein Mensch namens Carmelo B. hat bei einem Wettanbieter (der natürlich im Artikel genannt wird - wunderbar, wie die strikte Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung eingehalten wird...) einen Tipp "3 aus 4" abgegeben. "Bei einem 1:0 für Stuttgart hätte er sogar alle vier richtig gehabt." Hört hört. Dann kam aber der böse, böse Jens Lehmann. Wir alle wissen ja, was passierte. Lehmann tritt Bancé auf den Fuß, dieser windet sich, als ob ihn jemand mit der Schrotflinte angeschossen hätte, Lehmann fliegt, Elfmeter für Mainz, 1:1, Nachspiel nach dem Spiel und alle zerreißen sich über Lehmann das Maul. Und jetzt erfahren wir auch noch das schreckliche Schicksal von Carmelo B.: "So hatte ich drei Ergebnisse richtig und bekam nur 704,43 Euro. Lehmann hat mir alles kaputt gemacht." (bei vier richtigen wären es 7065,10 Euro gewesen)

Soso, "nur" 704,43 Euro. Über so einen Betrag würd ich mich ja eher scheckig freuen. Fragt sich, wie viel Geld der gute Mann wohl eingesetzt hat, dass er zu der Aussage kommt, Lehmann hätte ihm "alles kaputt gemacht". Kann ihm mal jemand ein Taschentuch reichen? Und mir bitte auch, bei so einem Schicksalsschlag kommen mir gleich die Tränen.

Fragt sich auch, wie diese Story zustande gekommen ist. Hat Carmelo B. bei der Bild angerufen und sich den Frust von der Seele geredet? Oder kannte ein Redakteur ihn zufällig, hat die Geschichte bei einem Bier erzählt bekommen und gedacht: "So, da machen wir jetzt ne Geschichte raus, den Lehmann kann ich eh nicht leiden"? Und auch wenn die Hemmschwelle bei Bild natürlich extrem niedrig ist: Wer gibt für solche "Artikel" letztendlich sein OK? Außer dem Wettanbieter?

Die wichtigste Frage aber lautet: Was ist das für ein Mensch, der sich für solche eine "Geschichte" fotografieren und mit vollem Namen auf einer Website nennen lässt, die täglich wahrscheinlich Millionen Menschen anklicken? Wie kann man so tief sinken? (ich weiß ja nicht, ob er noch sinken konnte bzw. wie hoch die Fallhöhe war) Wie wenig Selbstachtung kann man haben? Was verspricht sich Carmelo B. davon? Wartet er auf Reaktionen von mitleidigen Lesern, die sein Schicksal so berührt hat, dass sie ihm Schecks schicken? Wartet er auf einen Scheck von Jens Lehmann über die "verlorene" Summe? Verloren, wenn er sie denn noch besessen haben sollte - was angesichts dieses Artikels bezweifelt werden darf - hat er auf jeden Fall eines ganz sicher: seine Würde.

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